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Landgericht Halle

Am 24.01.1991 erscheint der folgende Artikel in der Mitteldeutschen Zeitung:

Das dominierende Bauwerk am Hansering wird 90 Jahre alt [zur Erklärung: Baubeginn 1901; Einweihung des Gebäudes des „Zivilgerichts“ 01.10.1905].

Der Hansering, der zuvor Poststraße und danach zeitweise Preußenring und anders hieß, gehört sicher zu den schönsten Straßen Halles. Das dominierende Bauwerk dort ist wohl das monumentale Gerichtsgebäude, dessen Errichtung unter Leitung des Architekten Karl Ilert vor 90 Jahren in Angriff genommen wurde. Vier Jahre nahm der Bau in Anspruch, dabei wurde mit Hausschmuck ebenso wenig gespart wie mit großzügigen Innengestaltung.
Zwei Türme flankieren die wohlproportionierten Fassaden, eine Kuppel über dem leicht vorgestellten Mitteltrakt gibt dem Gebäude zusätzliche Würde.

Am Gerichtsgebäude kann man sehr viel Hausschmuck erkennen. So sieht man sogenannte „Wilde Männer“ als Wappenhalter, das Bild des Adlers kehrt mehrfach wieder, und auch Schriftzüge lassen sich hier und dort erkennen, übrigens nicht so leicht zu entziffern, woran u. a. eine verschnörkelte Lettermanier Schuld trägt. Aus guter Position kann man dann etwa an einem Erker in der Rathausstraße die Worte lesen: „Rache ist neues Unrecht!“ Es gibt noch weitere Lehrsprüche in dieser Art, es fragt sich nur, ob sich Passanten die Mühe machen, diese Weisheiten mühsam zu entschlüsseln.

An den beiden Fenstervorsprüngen unterhalb der Ecktürme finden sich sogar jeweils drei Porträtbüsten: links Herr Svarez, der Vater eines allgemeinen Gesetzbuches in der Regierungszeit des alten Fritz, daneben der bedeutenden hallesche Universitäts Mitbegründer und Justizreformer Christian Thomasius und schließlich Jakob Grimm, geläufig als Märchenbewahrer und nicht weniger wichtig durch seine Erforschung von Rechtsaltertümern. Die rechte Häuserfront wurde dann den vor etwa 100 Jahren entstandenen Bürgerlichen Gesetzbuch zugedacht. Man sieht dort Büsten von Heinrich Eduard Pape, der der Kommission zur Endfassung des Gesetzeswerkes vorstand, von einem Herrn Ministerialrat Küntzel, dem wohl eher eine Art Zensur bei der BGB-Endfassung oblag, sowie das Porträt des Gelehrten Gottlieb Planck.

Eine so schlechte Gewohnheit war es gar nicht, um 1900 repräsentative Gebäude zum „Bilderbuch“ zu gestalten. So blieben Erinnerungen wach, ab und zu fand die Phantasie der Betrachter Anregung.

Quelle: Mitteldeutsche Zeitung vom 24.01.1991
Autor: Wolfgang Boeckh

Landgerichtsgebäude
(Abbildung: Michael Waldow, MSW-Welten)