Die Juden in Halle wohnten im Frühmittelalter im sogenannten Judendorf (heute steht dort die Moritzburg). Im Laufe der Geschichte waren sie verschiedenen Anfeindungen ausgesetzt. Letztlich mussten die Juden die Stadt im 15. Jahrhundert endgültig verlassen. Seit dem 18. Jahrhundert siedelten sich jüdische Familien wieder in Halle.
Nach jahrhundertelangen Übergriffen verließen 1493 die Juden endgültig Halle in Richtung Polen. Die nachfolgende Entwicklung und der 30-Jährige Krieg (1618–1648) verschlechterte zunehmend die wirtschaftliche Situation in Halle. Ende des 17. Jahrhunderts versuchte der brandenburgische Herrscher, die wirtschaftliche Lage in Halle zu verbessern. So kam es zur Neuansiedlung der Juden im Jahre 1688. 1694 studierten schon viele Juden an der Universität in Halle. Schon 10 Jahre später bekamen die Juden ein eigenes Generalprivileg vom preußischen König, der ihnen folgendes erlaubte:
- eine eigene Gemeinde aufzubauen,
- einen eigenen Friedhof anzulegen (beim Töpferplan),
- ihre Gemeinde selbstständig zu organisieren,
- eine eigene Gerichtsbarkeit auszuüben,
- eine eigene Synagoge zu bauen (am Großen Berlin unweit des Alten Marktes).
1724 erlangten 60 jüdische Studenten der Medizin an der Universität in Halle ihren Doktortitel. Trotzdem gab es im selben Jahr einen Übergriff auf die Juden, der zur Zerstörung der Synagoge führte. Jahre später wurde sie wieder an dergleichen Stelle aufgebaut. Zwischen 1772 und der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1931, stieg die Anzahl der Juden von 196 bis ca. 1400 Personen an. 1808 wurde ein napoleonisches Gesetz ausgerufen, dass alle Bürger, einschließlich der Juden, vor dem Gesetz gleich sind und jeder seine Religion ausüben kann. 1812 und 1847 haben preußische Judenverordnungen die bürgerlichen Freiheiten wieder eingeschränkt, obwohl die Juden an den Freiheitskriegen von 1812–1815 teilnahmen. Im Verlauf des 18. sowie 19. Jahrhunderts trugen die Juden dazu bei, Halle zu einem der bedeutendsten Handels- und Industriezentren Preußens werden zu lassen. Somit entstanden zahlreiche Kauf- und Warenhäuser, welche die Arbeiter aus Halle und der Region versorgten. 1869 wurde am heutigen Wasserturm der jüdische Friedhof angelegt. 1870 errichtete man die große Synagoge und daneben die jüdische Schule für Kinder von 7–14 Jahre. Einen kleinen Anteil hatten die Juden ebenfalls im Bankenwesen, Industrie und Handwerk.8 Vor allem im Einzelhandel entwickelten sich die jüdischen Händler und wurden zu einem bedeutenden wirtschaftlichen Bestandteil in der Stadt Halle.
Das lässt sich zum Beispiel an folgender Auflistung, die nicht vollständig ist, erkennen:
- Kaufhaus Huth und A. Michel am Markt,
- Konfektionshaus Salomon Weiß, Warenhaus Burghardt & Becher in der Leipziger Straße
- Kaufhaus Geschwister Loewendahl, Warenhaus „Leonhardt & Schlesinger in der Großen Ulrichstraße,
- Kaufhaus Lewin.
Das Kaufhaus Lewin ist das bekannteste Beispiel für die wirtschaftliche Entwicklung in Halle, zu der ein jüdischer Händler beigetragen hat.
Das Kaufhaus eröffnete der jüdische Kaufmann Julius Lewin 1859 als eine Textilwarenhandlung, was er dann 1887 als ein modernes Kaufhaus errichten ließ, das 1888 seine Söhne dann vollendeten. An seiner Stelle entstand 1929/30 dann ein Kaufhausneubau im Stil des „Neuen Bauens“, das stellvertretend für den städtebaulichen Einfluss jüdischer Geschäftsleute jener Zeit steht. Es war damals das größte Kaufhaus Halles und hatte etwa 175, überwiegend weibliche, Beschäftigte und bot ein breites Textilangebot an. Dieses Kaufhaus trug wesentlich zur wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt Halle bei. Unter politischem Druck wurde die Firma im Jahr 1935 durch die Nationalsozialisten zwangsenteignet.
Allein 124 jüdische Männer wurden in der Pogromnacht in das KZ Buchenwald gebracht. Hermann Göring (führender deutscher nationalsozialistischer Politiker und Kriegsverbrecher) wurde zu der Zeit auch gemeldet, dass in Halle Brände gesehen worden sind.11 In den folgenden Jahren 1939/40 wurde aus der Trauerhalle ein Ghetto gemacht, das als Zwischenstation für Juden aus westlichen Regionen galt. Die Bewohner wurden so für den Weitertransport in verschiedene Konzentrationslager gesammelt. 1942 wurden sie dann nach Auschwitz und Buchenwald deportiert. Selbst 1945 noch fuhren die letzten Transporte nach Theresienstadt. Ihr Hab und Gut wurde konfisziert, sie durften in der Regel nur einen Koffer mitnehmen.
Die folgende Zeitleiste zeigt wichtige Meilensteine in der Entwicklung der jüdischen Gemeinde nach dem 2. Weltkrieg 1945.
- 1945 wurde die „Jüdische Gemeinschaft“ gebildet, 1947 dann in „Jüdische Gemeinde zu Halle“ umbenannt.
- 1952 wurde Halle Sitz des neu erstandenen „Verbandes der Jüdischen Gemeinden in der DDR“. Ein Jahr später weihte man die Synagoge in der Humboldtstraße ein.
- 1991 wurden die ersten jüdischen Zuwanderer aus Osteuropa feierlich zum jüdischen Neujahresfest als Gemeindemitglieder aufgenommen.
- Seit 1992 gibt es in der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg das Fach „Judaistik“
- 1998 verabschiedete die jüdische Gemeinde eine neue Satzung. Damit wurde die Gemeinde 1999 Mitglied des Landesverbands Jüdischer Gemeinden in Sachsen-Anhalt und des Zentralrates der Juden in Deutschland.
- 2003, 2004, 2007 und 2010 wurde jeweils der Emil-L.-Fackenheim Preis verliehen (Preis nach dem Rabbiner E. Fackenheim, der aus dem KZ Sachsenhausen fliehen konnte).
- 2011 bekam die Jüdische Gemeinde Halle einen eigenen Rabbi (Priester der jüdischen Gemeinde) und ist Gründermitglied des Bundes traditioneller Juden in Deutschland.
- 2013 wurde eine neue Thorarolle in Israel gekauft, die speziell für die Gemeinde geschrieben wurde.
- 2014 wurde zum 5. Mal der Emil-L.-Fackenheim Preis verliehen.
- Seit 2015 beherbergt die Synagoge in der Humboldtstraße eine Ausstellung mit alten religiösen Gegenständen und einem Modell der alten Synagoge.
- Am 09. Oktober 2019 versuchte Stephan B. die versammelte jüdische Gemeinde in der Synagoge am Jom-Kippur-Feiertag zu ermorden.
Quelle:
Die wirtschaftliche und soziale Situation der Juden in der Salzstadt Halle und die daraus resultierenden antisemitischen Übergriffe.
Facharbeit Geschichte: Sophie Wohlleben