August Hermann Niemeyer (1754-1828) besuchte die Franckeschen Stiftungen und begann im Jahre 1771 das Studium der Theologie an der halleschen Universität (Promotion 1777). Ab 1784 war er Inspektor des Pädagogiums. 1785 war seine Berufung zum Mitdirektor des Waisenhauses. Seine Frau Agnes Wilhelmine Niemeyer veranstaltete im Hause Große Brauhausstraße 15 Gesellschaften mit bis zu 100 Gästen, die als geistiger Mittelpunkt des bürgerlichen Lebens der Saalestadt galten. Der angesehene Dichter Wilhelm von Schlegel hob die Kanzlerin Niemeyer als die interessanteste Person Halles neben Christian Reil hervor. In einer scharfen Auseinandersetzung mit dem preußischen Staat um seine Lehrauffassung als Vertreter der Aufklärung, die zum Verbot seiner Schriften führte, stellte sich die gesamte Universität 1794 hinter ihn und wählte ihn zum Prorektor. Sein pädagogisches Hauptwerk „Grundsätze der Erziehung und des Unterrichtes für Eltern, Hauslehrer und Erzieher” erschien 1796. Mit der Schließung der Universität durch Napoleon verband sich auch Niemeyers persönliches Schicksal, der im Mai 1807 verhaftet und nach Frankreich als Geisel verbracht wurde. Nach seiner Freilassung im Oktober 1807 setzte er sich für die Wiederbelebung der Universität und der Stiftungen ein, was zum 1. Januar 1808 gelang. Ein Jahr vor seinem Tode konnte er am 18. April 1827 sein 50-jähriges Doktorjubiläum feiern, ein Festtag, der ihm von allen Seiten Ehrungen entgegenbrachte. Die Stadt verlieh ihm auch in Anerkennung um seine Armenpflege die silberne Bürgerkrone.